In meinen vergangenen Wochenbeiträgen hatte ich an dieser Stelle andere als coronabezogene Themen angesprochen, jedoch bleibt natürlich nicht aus, dass die Pandemie an vorderster Front der Aufmerksamkeit bleibt.
Viele der Mitglieder unserer Schulgemeinschaft leben als Expatriates in Hongkong und sind von der Krise besonders hart getroffen. Viele internationale und lokale Firmen sowie deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leiden wirtschaftlich immens unter den krisenbedingten Auswirkungen. Unsere Familien leiden unter den stark eingeschränkten Reisebedingungen, die verhindern, dass sie ungehindert ihre Familienangehörigen in Übersee besuchen können. Gerade jetzt, zur nahenden Weihnachtszeit, wächst die Sorge, dass Familien ihre Angehörigen nicht besuchen, Kinder ihre Großeltern nicht sehen, Eltern ihre in Übersee lebenden und studierenden Kinder nicht in die Arme schließen können.
Die Deutsch-Schweizerische Internationale Schule mit ihrer recht internationalen Klientel sowie mit dem Deutschen Internationalen Zweig ist von den neuerdings verhängten Reiserestriktionen besonders hart getroffen. Der Anteil der zeitlich befristet in Hongkong lebenden Familien an der GSIS ist hoch ebenso wie die Anzahl der aus Deutschland, der Schweiz, Österreich, UK, Australien usw. stammenden Lehrkräfte, die teilweise alleine nach Hongkong gekommen sind, um hier zu arbeiten und zu leben, deren Kinder, Eltern und weitere Familienangehörige jedoch überwiegend in Deutschland, in Europa und anderen Ländern dieser Welt leben.
Für alle Mitglieder der Schulgemeinschaft, also unsere Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrkräfte und weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, hat die Schule in ihrer Entscheidung, die Weihnachtsferien um eine Woche zu verlängern, sowie mit der sich anschließenden Woche des Online-Lernens eine Tür geöffnet, ihre eigene Entscheidung zu treffen, ob sie unter den gegebenen Bedingungen eine Heimatreise antreten wollen oder nicht. Mit der beschlossenen Maßnahme haben jede Familie, jede Lehrkraft sowie jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter die Möglichkeit, für zwei Wochen eine Heimatreise anzutreten, sofern deren Heimatländer die Einreise ohne Quarantäne ermöglichen, und anschließend für zwei Wochen in Quarantäne zu gehen.
Die kürzlich von der Hongkonger Regierung veranlasste verpflichtende Hotelquarantäne hat sicherlich bei vielen von Ihnen die bisherigen Reiseüberlegungen ins Wanken gebracht. Viele von Ihnen haben vielleicht auch noch keine endgültige Entscheidung getroffen und wollen diese erst im letzten Moment vornehmen. Aus meinem schulischen Umfeld kann ich bereits feststellen, dass nach wie vor und auch trotz der neuen Restriktionen bislang eine signifikante Anzahl von Lehrkräften die Weihnachtsferien für Angehörigenbesuche nutzen möchte.
Angesichts dieser Tatsache und auch um Ihnen allen diese Möglichkeit bis zum letzten Augenblick offen zu lassen, werden und können wir keine Rücknahme der getroffenen Ferienregelung vornehmen. Nicht nur möchte ich kein Hin und Her erzeugen, sondern auch festhalten an der verbindlichen und zuverlässigen Zusage, die wir bisher gegeben haben. Eine Umfrage, wie vielfach gewünscht, würde an der Situation nichts ändern, da es sich nicht um eine numerische Entscheidung handeln kann, sondern um eine Entscheidung basierend auf Mitgefühl und moralischer Verantwortung. Bitte bedenken Sie auch, dass eine Umfrage immer zu Ungunsten der reisewilligen Expatriates ausgehen würde, da viele Mitglieder der Schulgemeinschaft ohnehin auch unter normalen Umständen nicht verreisen würden, da sie in Hongkong beheimatet sind. Eine Umfrage würde daher prinzipiell ein schiefes Bild der Situation erzeugen.
Die bisher beschlossene Regelung soll selbstverständlich nicht zum Reisen ermuntern, aber eine Tür offenlassen. Die Regelung ist auch eine Verpflichtung, die die Schule als Arbeitgeber gegenüber ihren Lehrkräften sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wahrnehmen möchte. Wir haben bereits coronabedingt Lehrkräfte verloren, die sich aus familiären Gründen nicht mehr in der Lage sahen, in Hongkong und an der GSIS zu verbleiben. Wir möchten nicht weitere Lehrkräfte verlieren, sondern im Gegenteil signalisieren, dass die GSIS ein Arbeitsplatz darstellt, der auch in schweren Zeiten das Wohlbefinden seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht aus den Augen verliert. Und wir möchten auch zukünftig ein Arbeitsplatz sein, der motivierte und erstklassige Lehrkräfte anzieht und ihnen auch in Krisenzeiten zur Seite steht.
Abhängig von weiteren Entwicklungen werden wir jedoch bis Mitte Dezember eine finale Entscheidung treffen, ob und in welchem Umfang wir Präsenzklassen anbieten können.
Für die Primar- und Sekundarstufe halten wir eine Online-Phase von einer Woche angesichts der besonderen Umstände für möglich, um die genannten Reisemöglichkeiten für alle offenzuhalten. Dabei werden wir jedoch kontinuierlich die weitere Entwicklung beobachten und gegebenenfalls Justierungen vornehmen.
In der Zeitung kann man regelmäßig lesen, welche katastrophalen wirtschaftlichen Auswirkungen die Pandemie hat. Am Beispiel der Lufthansa lässt sich aufzeigen, dass bei dieser allein von Juli bis September dieses Jahres ein Verlust von zwei Milliarden Euro anfiel und der Umsatz wegen der Reisebeschränkungen um 74 Prozent einbrach. Lufthansa-Chef Carsten Spohr erklärte kürzlich, "Die Menschen haben weltweit eine große Sehnsucht, bald wieder zu reisen", und forderte eine Lockerung der staatlichen Reisebeschränkungen. Gesundheitsschutz und Reisefreiheit müssten durch den flächendeckenden Einsatz von Schnelltests miteinander vereinbart werden.
Ich hoffe sehr, dass Schnelltests nicht mehr lange auf sich warten lassen, uns so bald wie möglich aus der Blockade befreien und uns nie mehr in eine solche Lage bringen.
Die Situation an der GSIS betreffend sollten wir uns nach meiner Meinung vergegenwärtigen, dass wir im Vergleich zu den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und psychosozialen Schäden der COVID-19-Pandemie mit der Frage, ob wir voraussichtlich teilweise eine Woche online gehen, um einem Teil unserer Schulgemeinschaft menschlich zu helfen, ein nur kleines Problem haben, das wir bewältigen können und bewältigen sollten.
Diesbezüglich danke ich Ihnen auch für Ihre zahlreichen Rückmeldungen zum Online-Lernen in den vergangenen Monaten, die die Schule dabei unterstützt haben, ein qualitativ hochwertiges Angebot zu entwickeln. Wir haben vier Monate des Online-Lernens, die der Pandemie geschuldet waren, überstanden. Wir werden auch die fünf Tage des Online-Lernens meistern, die aus den genannten Gründen angesetzt wurden und Mitgliedern unserer Schulgemeinschaft geschuldet sind, die sich nichts mehr wünschen, als ihre Familien über Weihnachten zu besuchen.
Unsere Schülerinnen und Schüler mussten in den vergangenen Monaten bereits auf vieles verzichten: Wandertage, Exkursionen, Musik- und Theaterabende, Feste, Sportveranstaltungen, Assemblies gehören zur Zeit der Vergangenheit an. Auf die beliebte Discovery Week musste ebenfalls verzichtet werden. Dabei wurde viel schulische Lernzeit gewonnen, aber auch viel gemeinsame Zeit, Zeit für Freude, Zeit für Gemeinsamkeit verloren. Die zusätzliche Woche des Online-Lernens wird somit der absoluten Präsenz-Lernzeit in diesem Schuljahr durch den Ausfall so gut wie aller Veranstaltungen nichts nehmen. Aber dieses kleine Weihnachtsgeschenk für diejenigen, die nach wie vor die Möglichkeit zu verreisen sehen und eingehen wollen, sollten wir diesen Eltern, Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ohne Druck geben, auch wenn sie keine Mehrheit darstellen.
Ich habe in den vergangenen Wochen viele Argumente zu dem hier angesprochenen Thema ausgetauscht in E-Mails, persönlichen Gesprächen, KPR-Meetings und im Meeting der KPR Secretaries. Ich hatte immer den Eindruck, dass generell ein großes Verständnis für die jeweils anderen Argumente besteht. Es hat sich jedoch auch gezeigt, dass alle Argumente, von welcher Seite sie auch kommen, immer wieder ihr gleichberechtigtes Gegenargument finden und somit eine gewisse Endlosschleife erzeugen. Da einmal das Ende der Schleife erreicht werden muss, hoffe ich, dass ich mit diesem Beitrag ein Stück weit die Komplexität und Schwierigkeit der Situation darstellen konnte und damit auch abschließend um Ihr Verständnis für die Entscheidung der Schule bitten darf, die einvernehmlich in der Schulleitung und mit Zustimmung des Vorstandes getroffen wurde.
Nun aber wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende